Die biblisch-psychologische Auslegung des Jakobusbriefs ergründet Vers für Vers seine seelsorgerliche Relevanz. Dabei tritt zutage, dass dieser Hirtenbrief des leiblichen Bruders Jesu, der als Leiter der Jerusalemer Gemeinde zeitweise die vielleicht bedeutendste Führungspersönlichkeit der Urgemeinde war, wie kaum ein anderes Schriftstück der Bibel als fundamentales Manifest der Seelsorge betrachtet werden darf. Wenn man sich nicht davor scheut, für die theologische Sprechweise des Briefs psychologische Äquivalente einzusetzen, entfaltet sich ein erstaunlich modern anmutender Ansatz einer ganzheitlichen Seelsorgekonzeption mit hoher Ähnlichkeit zur zeitgenössischen Weisheitslehre des Stoizismus, nur dass sie sich stringend von einem absolut positiven Gottesbild ausgehend definiert. Von dorther beschreibt der Jakobusbrief, stets bezogen auf das urchristliche Modell von Kirche als heilsamer Liebesgemeinschaft, wesentliche kommunikationspsychologische, kognitiv-therapeutische und systemische Grundprinzipien. Darüber hinaus legt Jakbous aber auch deutliches Gewicht auf die systemkritische Seelsorge an den Starken, die kein Leidensdruck plagt, die andern aber dafür um so mehr Leid zufügen: ein Aspekt, der in den heutigen therapiezentrierten und parakletischen Seelsorgemodellen viel zu wenig wahrgenommen wird. Das Buch will nicht nur einen hilfreichen Beitrag zur theologischen Fundierung der Seelsorge in Ausbildung und Fortbildung geben, sondern Seelsorger, Berater und Therapeuten auch einladen, auf meditativem Weg sich selbst und ihrer Praxis dieses ganz besondere, aber oft verkannte Kleinod des Neuen Testaments (vielleicht endlich) einmal gründlich zu erschließen.