Unsterblich wurde Brillat-Savarin in seiner Eigenschaft als Feinschmecker. An seinem Buch über die Physiologie des Geschmacks arbeitete er 25 Jahre lang. Brillat-Savarins Werk ist ein Kompendium literarischen, philosophischen und leiblichen Genusses.
Die anonyme Erstausgabe von 1826 des Werks mit dem Untertitel Betrachtungen
über das höhere Tafelvergnügen nennt als Verfasser einen Professor, der
Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften sei. Diese Fiktion entspricht
Brillat-Savarins wissenschaftlichem Ehrgeiz, das Interesse der Physiologie,
die sich vorwiegend mit den >>höheren<< Sinnesorganen Auge und Ohr beschäftigt,
auf jene >>niederen<< Geschmacksorgane zu lenken, die am Vorgang des Essens
und Trinkens beteiligt sind. Als roter Faden dient die Unterscheidung zwischen
dem Feinschmecker und einem Esser, dem es - aus physiologischer Sicht -
an jener Feinheit der Organe fehlt, >>ohne die das opulenteste Mahl ungewürdigt
bleibt<<. Brillat-Savarin erinnert sich an eine konkrete Verkörperung dieser
Typen, die aus physiologischen, aber ebenso aus psychologischen Gründen
>>nur essen, um satt zu werden<< und stellt fest: >>In diesen Kreis gehört
auch Napoleon. Unregelmäßig in seinen Mahlzeiten, aß er schnell und schlecht.
Auch hier findet man diesen absoluten Willen, den er überall kundgetan.
Kaum spürte er Appetit, sofort musste er gestillt werden, und seine Leute
waren darauf dressiert, an jedem Ort und zu jeder Stunde ihm sofort beim
ersten Befehl Geflügel, Koteletten und Kaffee vorzusetzen.<< Weit davon
entfernt, die Feinschmeckerei als Zeichen von Luxus zu definieren, gibt
Brillat-Savarin Ratschläge für Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen,
beschreibt die wohltuenden Wirkungen der Tafelfreuden (im Gegensatz zu
Befriedigung von Esslust) und gelangt zu einer Geschichte der Nahrungsaufnahme
beim Menschen. Nach einem Exkurs über die Philosophie der Küche steuert
der Autor für ihn neue Rezepte bei, u. a. das in der Schweiz kennen gelernte
Fondue.